Unsere fünf Argumente

Wir setzen uns dafür ein, dass Kinder und Jugendliche im Internet bestmöglich geschützt werden. Das nun vorliegende Gesetz verfehlt dieses Ziel jedoch vollumfänglich, da es schnell und einfach ausgehebelt werden kann und nur einen kleinen Teil der digitalen Welt abdeckt. In diesem Gesetz existieren viele Paragrafen, aber keine konkreten technischen Anforderungen an die Systeme. Auch die Durchführung der Kontrolle und den damit verbundenen Kosten durch den Gesetzgeber sind nicht klar definiert.

1. Ausweiszwang

Das Gesetz verlangt, dass auf Plattformen wie Steam (Gaming) oder YouTube (Video) eine Alterskontrolle eingeführt wird (Art. 8 und Art. 20) – VOR DER ERSTEN NUTZUNG. Das heisst, jeder der nur ein Video auf Youtube anschauen will muss einen Account anlegen und sein Alter verifizieren!. In der parlamentarischen Debatte wurden hierfür Kreditkarten oder auch SMS-Verifikation genannt. Es besitzen noch lange nicht alle 18-jährigen Personen eine Kreditkarte. In diesen Fällen können Volljährigen die Dienste nicht einmal nutzen, obwohl ihnen dies von Gesetzes wegen erlaubt wäre. Gleichzeitig können PrePaid-Kreditkarten auch von Minderjährigen genutzt werden. Andererseits werden Mobilabonnemente oft von den Eltern abgeschlossen und unterschrieben. Minderjährigen bietet sich so die Möglichkeit mit der SMS-Verifikation das Gesetz zu umgehen, da der Vertrag auf die Eltern lautet.

Die eindeutige und sichere Verifizierung zum Schutz von Minderjährigen kann dann nur mit einem Scan der ID oder dem Pass erfolgen. Dies würde bedeuten, dass Personen welche solche Dienste im Internet nutzen möchten, eine ID oder einen Pass haben müssen. In der Schweiz gibt es in der realen Welt keine Ausweispflicht und ein nicht zu vernachlässigender Teil der Gesellschaft besitzt gar keinen amtlichen Ausweis. Zusätzlich wird der Zugang zum Internet für Menschen mit Beeinträchtigungen erneut erschwert.


Darüber hinaus ist dies ein Dammbruch, dass man auf normalen Internetplattformen eine Verifizierung von persönlichen Daten vornehmen muss. Wir befürchten, dass in Zukunft aus anderen Gründen dies beispielsweise zu einem Ausweiszwang auf SocialMedia führt. Es ist der Startschuss zum Ausweiszwang im Internet – alles was du dir ansiehst wird damit nachvollziehbar, dein Grundrecht auf Privatsphäre wird erneut ignoriert.


2. Datenschutz und Privatsphäre

Art. 8 und Art. 20 Abs. 3 schützt explizit nur die Daten von Minderjährigen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Daten von Volljährigen Personen weiterverwendet werden dürfen und an Dritte verkauft werden dürfen. Das amerikanische Gesetz (CLOUD Act) verpflichtet US-Unternehmen selbst dann zur Datenherausgabe, wenn lokale Gesetze am Ort des Datenspeichers dies verbieten. Da die meisten Anbieter (Plattformen, Provider, Server und Clouds) ihren Sitz nicht in der Schweiz haben, sind diese auch nicht verpflichtet das Schweizer Datenschutzgesetz einzuhalten. Google, Facebook, Oracle etc. sammeln bereits heute schon zahlreiche Datensätze mit unseren persönlichen Daten und unserem Verhalten und den dazugehörigen Vorlieben. Wenn dann noch amtlich verifizierte Daten dazu kommen, wird es für die privaten Unternehmen immer wertvoller.

Unternehmen und staatliche Behörden sind immer wieder Opfer von Cyberkriminalität oder werden auf ihre Datenleaks aufmerksam gemacht. Somit sind wir bereits häufig Zeugen/innen von unzulässiger Datenbeschaffung geworden, was uns über die Datensicherheit berechtigt zweifeln lässt.


3. Hoher Aufwand – kein ausgewiesener Nutzen

Mit dem Gesetz sollen Minderjährige beispielsweise vor Videos und Spiele mit gewalttätigen oder pornographischen Inhalten geschützt werden. Jedoch fallen Bilder nicht unter das Gesetz und dürfen weiterhin ohne Schutzmechanismus konsumiert werden. Ebenso können weiterhin Videos über P2P-Plattformen oder Chats wie WhatsApp, Signal oder Dating-Apps problemlos ausgetauscht werden. Redaktionelle Plattformen und Werbefilme sind ebenfalls ausgenommen (Art. 3). Obwohl das Gesetz viele Paragrafen aufweist, bleiben viele Schlupflöcher offen.


Jedes Gesetz und deren Anforderungen an die Systeme lösen einen grossen finanziellen Aufwand aus. Dies beginnt bei der technischen Umsetzung, damit der Schutz gewährleistet werden kann. Für Anbieter/innen bedeutet dies eine grosse Investition. Gleichzeitig muss auch der Gesetzgeber hohe Ausgaben und genügend Ressourcen zur Verfügung haben, um die Umsetzung überprüfen zu können.

Leider wird das Volk nie über den effektiven Erfolg nach der Einführung eines neuen Gesetzes informiert. Da stellt sich wieder einmal die Frage, ob mit einem weiteren Gesetz wirklich das Ziel aller Interessensgruppen erreicht wird (oder ob es einfach darum geht “wir machen immerhin etwas”).


4. Das Recht zu einem freien Internetzugang

Die Strafbestimmungen sind ein zahnloser Tiger, die maximale Busse entspricht 40.000 Franken (Art. 34). Der Anbieter im Ausland wird sich gar nicht um eine Umsetzung des Gesetzes bemühen. Dafür ist der Schweizer Markt mit der Anzahl von Nutzer/innen nicht lukrativ.

In der Konsequenz des Gesetzestextes müssten zur Durchsetzung des Gesetzes, Netzsperren eingesetzt werden. Dies ist ein tiefgehender Eingriff in die Architektur des Internets, welches mit Zensur belegt würde. Gemäss diverser Aussagen von Bundesrat und Parlament ist die Zensur des Internets politisch und gesellschaftlich nicht akzeptabel. Dabei sind die Kosten und der technische Aufwand auch für diese Umsetzung schwierig abzuschätzen.


5. Verbote regen die “Kreativität” zur Umgehung an

Mit der Nutzung eines VPN umgeht jede/r sofort alle Kontrollsysteme, Browser-Plugins können IP-Geolocaction-Erkennung umschiffen. Mit nur wenigen Mausklicks ist dies eingerichtet. Filme und Videos können auf einen USB-Stick oder auf eine externe Festplatte gespeichert werden. Die Kreativität und die technischen Möglichkeiten scheinen unendlich. Gerade bei Jugendlichen lösen Verbote oftmals das Gegenteil von dem aus, was die Erwachsenen sich davon erhoffen. Die Aufgabe von Erziehungsberechtigten, Bildungsstätten, Vereine und NGO’s ist es, Kinder und Jugendliche aufzuklären, vorzubereiten und zu begleiten.


Fazit:
Wir sprechen uns dafür aus, eine offene und dringend notwendige Debatte zu führen. Die Gesellschaft insgesamt hat grosse Defizite in der Medienkompetenz. Das Wissen über die technologischen Möglichkeiten in der digitalen Welt ist mangelhaft. Erst wenn wir uns als Gesellschaft dessen bewusstwerden, können wir die Problematik von jugendgefährdenden Inhalten langfristig lösen. Der Versuch, diese gesellschaftlichen Probleme alleine durch Gesetze und Technologie lösen zu wollen, ist der falsche Ansatz. Durch die Lücken und Umgehungsmöglichkeiten werden unnötige Kosten und Ressourcen verschwendet. Das vorliegende Gesetz ist deshalb abzulehnen.


Quellen:



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