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Netzpolitik.org: Schweizer Parlament will Internet voller Alterskontrollen

Markus Reuter internationalisierte mit seinem Artikel Schweizer Parlament will Internet voller Alterskontrollen auf Netzpolitik.org die Aufmerksamkeit, basierend auf dem Artikel bei DNIP.

Video- und Gamingseiten sollen in der Schweiz künftig das Alter ihrer Nutzer:innen kontrollieren. Bürgerrechtsinitiativen befürchten den Startschuss für eine generelle Ausweispflicht im Internet. Nur ein Referendum kann das Gesetz jetzt noch stoppen.

An Streamingportale anmutende Logos und Comiczeichnungen.

Die Schweiz will Minderjährige von Unterhaltungsmedien fernhalten. (Symbolbild / Prompt: border control, netflix, youtube ​logo, Comic) – generiert mit Stable Diffusion

Die Schweiz schwächt die Anonymität im Netz: Das geplante „Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele“ verlangt, dass zahlreiche Seiten Altersschranken hochziehen, darunter fallen dürften etwa YouTube, Netflix und weitere Anbieter für Streaming und Gaming. Der Grund: Jugendschutz.

Das Besondere an dem Gesetz ist: Es verlangt pauschal eine Alterskontrolle vor der erstmaligen Nutzung – und damit von allen Menschen, die solche Dienste in der Schweiz aufrufen wollen. Dabei ist die Alterskontrolle nicht auf bestimmte Inhalte wie Pornografie oder Gewaltdarstellungen beschränkt, sondern wird generell verlangt. Zum Schutz von Minderjährigen sollen also alle Nutzer:innen Daten preisgeben.

Welche Form die Alterskontrolle haben soll, geht aus dem Gesetz zunächst nicht eindeutig hervor. In den dazu gehörigen Erläuterungen wird jedoch als Beispiel eine „Kopie des Personalausweises“ genannt. Das wäre eine Art der Alterskontrolle, bei der Nutzer:innen besonders viel sensible Daten – und ihre Identität preisgeben müssten. Ausdrücklich geschützt werden zumindest in diesem Gesetzestext jedoch nur die Daten von Minderjährigen.

Auszug aus dem Gesetzestext

Das Gesetz schützt ausdrücklich nur die Daten von Minderjährigen. – Fedlex

Gegner:innen des Gesetzes befürchten, dass die Einführung dieser Alterskontrollen der Startschuss zu einer allgemeinen Ausweispflicht im Internet in der Schweiz sein könnte. Zudem seien die übermittelten persönlichen Daten nicht genügend geschützt, da für Unternehmen im Ausland andere Datenschutzgrundsätze gelten würden. Außerdem könne das Gesetz zu Netzsperren, also der pauschalen Zensur von Anbietern führen, die das System nicht implementieren. Es sei unklar, ob Anbieter überhaupt ein solches Kontrollsystem für den relativ kleinen Markt der Schweiz einführen würden.

Referendum kann Gesetz noch stoppen

In einem Artikel beim Schweizer Tech-Magazin DNIP warnt Autorin Adrienne Fichter vor einem „der internetfeindlichsten Gesetze Europas“. Netflix und YouTube könnten theoretisch alle Daten eines Passes von jeder Schweizer Nutzer:in angezeigt bekommen, so Fichter.

Die Ausweispflicht für legale und jugendfreie Inhalte erleichtere den Unternehmen ein lückenloses und ständiges Tracking der Nutzer, schreibt Pascal Fouquet, der für die Schweizer Piratenpartei bei dem Bündnis für das Referendum mitmacht, auf Anfrage von netzpolitik.org.

Das Gesetz wurde bereits im Parlament verabschiedet. In der Schweiz lässt sich danach noch ein Referendum ergreifen. Hierfür müssen innerhalb von 100 Tagen Unterschriften von 50.000 stimmberechtigten Bürger:innen zusammenkommen. Wenn diese Hürde erreicht ist, gibt es eine nationale Abstimmung über das Gesetz. Gegen das Vorhaben hat ein zivilgesellschaftliches Bündnis bereits ein Referendum angestrengt, bei dem man als Schweizer:in hier unterschreiben kann. Die Frist für die Unterschriften endet am 19. Januar.

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